Auf einer Hochschaubahn wird mir sicher nie mehr schlecht

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Markus Mahler ist ein Offizier in Range eines Oberst, gehört zur Luftraumüberwachung in Salzburg, ist verheiratet, hat drei Kinder, ist Jahrgang 1969. Er ist der verantwortliche Offizier vor Ort, um die Eurofighter in Hörsching einsatzbereit zu machen. Er ist den Eurofighter selbst einige Jahre geflogen. Wir haben mit ihm über Hörsching und seine Erfahrungen als Eurofighterpiloten gesprochen.

Es läuft zurzeit der zweite Teil von Top Gun in den Kinos. Haben Sie den Film gesehen?

Natürlich, mit Tom Cruise. Sie müssen eine Kernspaltungsanlage in einem fiktiven Schurkenstaat zerstören. Moderne Flugzeuge können nicht eingesetzt werden, daher wird der Pilot Maverick mit einer alten F-18 aktiviert, weil der Einsatz mit konventioneller Navigation geflogen werden muss. So die Geschichte. Über den Film wurde kolportiert, dass alle Flugmanöver wirklich geflogen wurden. Mir erscheint der Streifen sehr authentisch und er wirkt auf mich realistisch. Der Dogfight, also der Luftkampf, wurde aus technischen Gründen kleinräumiger gestaltet, dass man es besser mitverfolgen kann. Das nehme ich einmal so an. Dazu würde mehr Luftraum gebraucht werden.

Wieso sind Sie und Ihre Leute mit dem Eurofighter in Hörsching?

Das ist ganz einfach. Wir brauchen einen Absprungplatz nördlich des Alpenhauptkammes. Der Alpenhauptkamm ist die große Wetterscheide in Österreich. Zeltweg liegt südlich davon.

Wenn man aus verschieden Gründen den Einsatzflugplatz Zeltweg nicht nutzen kann, wird der Eurofighter, also die aktive Luftraumüberwachung, zeitlich begrenzt nach Hörsching verlegt. Die Infrastruktur dafür ist teilweise schon vorhanden und wird weiter verbessert.

Wie bist Du mit der Verlegung und dem Einrichten zufrieden?

Ich bin sehr zufrieden und meine Leute sind zufrieden. Großes Lob. Um die Infrastruktur aufzubauen und die Logistik aufrechtzuerhalten brauchen wir Unterstützung von Pionieren, bei der Verpflegung, bei den Unterkünften. Danke an die unterstützenden Verbände und Dienststellen in Hörsching, an das Militärkommando Oberösterreich.

Was ist Ihre Eurofightererfahrung? Fliegen Sie heute auch noch?

Ich bin selbst den Eurofighter geflogen. Die Karriere eines Eurofighterpiloten  endet mit 45, in Ausnahmefällen mit 50 Jahren. Danach geht man auf ein anderes Muster, meist als Fluglehrer, auch im Ausland. Wir stellen beispielsweise Fluglehrer auf der Aermacchi M-345 und M-346 in Italien in den unterschiedlichen Ausbildungsphasen zum Jetpiloten, da wir diese Fähigkeit in Österreich leider nicht mehr haben. Derzeit fliege ich PC-7 und bin Fluglehrer und Prüfer auf diesem Schulungsflugzeug. Die erworbene Professionalität darf ich jetzt bei meinen neuen Aufgaben einbringen. Heute bin ich hier um die Eurofighter während der AIRPOWER22 aus Zeltweg nach Hörsching zu verlegen.

Wie kann man sich einen Einsatz von Hörsching aus vorstellen?

Nähert sich ein nicht identifiziertes Luftfahrzeug der Österreichischen Staatsgrenze oder es gibt einen Luftnotfall über Österreich, dann wird ein Alarmstart ausgelöst. Dann erfolgt der Start mit Nachbrenner. Unser spezielles Abflugverfahren mit Nachbrenner erlaubt ein schnelles Wirksamwerden der Rotte, so nennt man zwei Flugzeuge, die gemeinsam operieren. Über Funk wird den Piloten von unserem Military Control Center die Flugrichtung und die Flughöhe zugewiesen. Bei Annäherung an das zu detektierende Luftfahrzeug wird am Funk auf den Radarleitoffizier umgeschaltet und der gibt dann den Auftrag bekannt. Das kann vom Identifizieren des Luftfahrzeuges mit Feststellung seiner Kennung bis hin zum Landezwang auf einen Flugplatz reichen. Dazu gibt es spezielle Verfahren mit dem Geben von internationalen Zeichen.

Wie erleben das die Piloten?

Die Piloten werden mit Sirene und Blinklicht alarmiert, springen in die Maschinen und starten. Der Pilot weiß bei der Alarmierung meist noch nicht, wie sein Auftrag lauten wird. Wir verlangen von den Piloten, dass sie innerhalb von elf Minuten in der Luft sind. Die elf Minuten erscheinen als viel, aber wir sehen mit unseren Radaranlagen weit ins Ausland, können daher frühzeitig Luftfahrzeuge detektieren und unsere Alarmrotte rechtzeitig alarmieren.

Welchen physischen Belastungen ist ein Eurofigherpilot ausgesetzt? Wird Ihnen auf einer Hochschaubahn überhaupt noch schlecht?

Auf einer Hochschaubahn wird mir sicher nie mehr schlecht. Es ist ein erhebendes Gefühl, wenn 18 Tonnen Schub antreiben. Die Freiheit in der dritten Dimension ist einfach unglaublich. Es ist als hochagiles Kampfflugzeug konzipiert. Du kannst binnen 0,75 Sekunden die Beschleunigung auf deinen Körper von 1g auf 9g erhöhen. In dieser kurzen Zeitspanne vergrößerst sich das Gewicht des Piloten von 80kg auf 720kg. Und das muss der Pilot aushalten können. Dazu gibt es spezielle Anzüge, die das Versacken des Bluts in die Extremitäten verhindert. Entsprechendes Muskeltraining ist dennoch erforderlich.

Was ist der wichtigste Tag im Leben eines Eurofighterpiloten? Der alleinige Erstflug?

Ja, das ist absolut der erste Alleinflug am Eurofighter. Zunächst lernt man das System am Simulator kennen. Man wird speziell in allen Notfällen geschult, um das Luftfahrzeug immer sicher auf den Boden bringen zu können. Danach erfolgen Flüge mit Fluglehrer in der Ausbildung. Der Fluglehrer entscheidet, ob man für den Erstflug reif ist. Ich bin selbst Fluglehrer, ich kenne das sehr gut. Im sogenannten Sylabus, dem Übungshandbuch, stehen die einzelnen Übungen, die man vorher abarbeiten muss. Wenn die letzten Übungen den Ansprüchen des Fluglehrers genügen, dann erfolgt der Erstflug. Beim Erstflug muss man bestimmte Übungen nach einem standardisierten Programm fliegen. Start, Landung, Kunstflug, Instrumentenflug müssen erstmalig alleine durchgeführt werden. Der dauert so etwa eine Stunde. Wir machen das in Laage in Deutschland, dem deutschen Ausbildungszentrum.

Wie sieht der Vergleich zwischen Simulator und echtem, wirklichem Flug aus?

Der Simulator, wie wir unseren in Zeltweg haben, ist wirklich ein sehr effizientes Ausbildungsmittel. Er kann jedoch die gesamten Körpereindrücke nicht wiedergeben, denen man beim Flug ausgesetzt ist. Das sind die Beschleunigungen, die G-Kräfte, die Vibrationen, usw. Die realen Flugstunden kann er nicht ersetzen. Der letzte Schritt vor dem Übertritt auf den Eurofighter wird in Italien auf der Aermacchi M-346 geflogen. Das ist ein Schulflugzeug, das bereits von der Funktionalität, Agilität und Cockpitaustattung die perfekte Basis für den Umstieg auf den Eurofigher darstellt.

Wenn man sich das Kunstflugprogramm des Eurofighter bei der Airpower ansieht, fragt man sich, wie lernt und übt man das ein? Fliegt man das selbst oder übernimmt das die Maschine?

Geflogen wird die Maschine vom Piloten und das ist Schwerarbeit. Ich habe schon erwähnt, dass der Eurofighter ein hochagiles Luftfahrzeug ist. Er ist aerodynamisch instabil konstruiert, daher braucht er Computer zum Fliegen. Erst das ermöglicht die hohe Agilität des Flugzeugs. Was heißt das? Der Computer sorgt dafür, dass man innerhalb der Betriebsgrenzen des Luftfahrzeuges bleibt, sprich alle Werte immer im grünen Bereich bleiben. Es geht um die Werte bei Mindestgeschwindigkeit, Rollrate in der Luft und maximale g-Beschleunigung. Der Pilot gibt seine Steuerimpulse, der Computer hält das Luftahrzeug innerhalb der fliegbaren Werte. Es gibt vier Computer, die parallel arbeiten. Theoretisch ist es möglich, nur mit einem zu fliegen. Aus Redundanzgründen gibt es vier davon.

Der Eurofighter ist vierte Generation? Gibt es bei den neuen Generationen noch Piloten?

Ein klares Jein dazu, dass es noch Piloten geben wird. Die kleinste taktische Einheit bleibt die Rotte, also zwei Flugzeuge. Alleine fliegt man taktisch nicht. Die beiden Flieger haben standardisierte Verfahren und ergänzen sich gegenseitig. Ja, es gibt Entwicklungen, dass die Nummer 2 keinen Piloten mehr hätte. In der Nummer 1 wird noch lange ein Pilot sitzen.