Militärmusik Oberösterreich und das Bruckner-Jahr 2024
Wir veranstalten 3 Kirchenkonzerte jeweils in Ried im Innkreis, in Wels und in Freistadt anlässlich des Bruckner-Jahres mit Blasmusikorchester, Solisten, Orgel und elektrischer Musik mit einem abwechslungsreichen und eindrucksvollen Programm. Nähere Informationen dazu folgen noch.
Norbert Trawöger ist spielender, lehrender, schreibender und gestaltender Musiker und Künstlerischer Direktor des Bruckner Orchester Linz. Der studierte Flötist ist künstlerischer Leiter der ersten oö. KulturEXPO „Anton Bruckner 2024“, deren programmatische Ausrichtung, Programmierung und Umsetzung er verantwortet. Wir haben mit ihm über Anton Bruckner und die Beteiligung des Militärkommandos Oberösterreich mit der Militärmusik Oberösterreich beim Bruckner-Jahr gesprochen.
Anton Bruckner – enttarnt! Der Komponist und das Militär.
Wie ist Ihre Beziehung zu Anton Bruckner. Sind Sie ein Verehrer, ein Lernender, ein Kritiker, ein Bewunderer von Anton Bruckner? Ist Anton Bruckner Ihre Leidenschaft?
Mit acht Jahren bin ich zu Hause über die Schallplatte von Bruckners „Vierter“ gestolpert. Das war ein unfassbares Erlebnis, ich habe nur so gestaunt, dass es so etwas überhaupt geben kann. Die Vierte war meine Höhle, in die ich mich von da an immer wieder zurückgezogen habe. Seitdem nimmt seine Musik die Stellung einer Sonderleidenschaft ein. Musik ist im umfassenden Sinn das Wunder meines Daseins.
Sie waren selbst Militärmusiker. Wann war das und welches Instrument haben Sie gespielt?
Ich war nach der Matura von 1989 bis 1990 Flötist bei der Militärmusik Oberösterreich.
Thema Anton Bruckner und das Militär: Welche Beziehungen hat er zum Militär gehabt?
Diese waren sehr intensiv und wichtig. Die Militärkapellen Österreich-Ungarns wurden von staatlicher Seite nur sehr gering gefördert und mussten sich durch Auftritte bei privaten Konzert- und Ballveranstaltern zu finanzieren. Daher agierte man sehr nach dem Publikumsgeschmack. Die meisten Musiker spielten nicht nur ein Blas- sondern auch ein Streichinstrument. Bei der Aufführung von Werken Bruckners waren oft Militärmusiker aktiv. Erstmals verwendete Bruckner 1855 bei der Kantate „Auf, Brüder! auf, und die Saiten zur Hand!“ zur Begleitung der Sänger ein Bläserensemble. Für die Instrumentalbesetzung der Festkantate zur Grundsteinlegung des Linzer Mariendoms schrieb er ein Blasorchester vor, das bei der Uraufführung am 1.5.1862 von der Musikkapelle des Infanterieregiments Nr. 13 „Freiherr von Bamberg“ gestellt wurde. In der Messe in e‑Moll dient ein größeres Bläserensemble zur Begleitung des achtstimmigen gemischten Chors. Die Uraufführung am 29.9.1869 zur Einweihung der Votivkapelle des Neuen Doms in Linz fand unter Mitwirkung von Militärmusikern statt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit stellte der angesehene Militärkapellmeister Karl Komzák Vater (1823–1893) vom Infanterieregiment Nr. 11 „Albert Kronprinz von Sachsen“ die Musiker für diese Aufführung. In den 1860er Jahren wirkten Bruckner und Komzák gemeinsam bei Konzerten mit, so auch bei der Aufführung der Messe in d‑Moll am 1868 im Alten Dom in Linz.
Die Begleitung des Germanenzugs übernahm bei der Uraufführung am 5.6.1865 die in Enns stationierte Kapelle des Husarenregiments Nr. 5 „Graf Radetzky“ unter Stabstrompeter Stefan Schramm.
Im Sommer 1879 improvisierte Bruckner in St. Florian an der Orgel über Militärthemen. In der Schwimmschule hatte man ihm Michael Haydn zurückgehenden Militärsignalen vorgepfiffen. Bruckner konnte von seiner Linzer Wohnung aus die Militärsignale miterleben und soll so auch zum Hauptthema seiner Sechsten Symphonie angeregt worden sein.
Was war das Genie in ihm?
Anton Bruckner war kein Wunderkind. Mit Sicherheit hat der Vater die musikalische Begabung seines Sohnes erkannt. Bruckners Vater und Großvater waren Lehrer und die Schulmeister waren auch für das Musikleben im Ort zuständig. Bruckner selber hat zunächst den Lehrerberuf ergriffen und hat sich in Kronstorf, wo er als 18-Jähriger seine zweite Stelle als Hilfslehrer antrat, erstmalig als Komponist bezeichnet.
Er war sehr früh ein Orgelimprovisator von Weltrang und Schöpfer bedeutender Kirchenkompositionen. Erst mit über 40 Jahren ist er in der weltlichen Form der Symphonie gelandet. Er hat sich selbst als Symphoniker bezeichnet. Das faszinierende an Bruckner ist, dass er sich Zeit seines Lebens ausgebildet und sein Genie freigelegt hat. Vom kompositorischen Handwerk her war er einer, der der größten Meister des 19. Jahrhunderts. Einer der sein Genie erarbeitet hat und gleichzeitig ein Sozialaufsteiger ist.
Vom Hilfslehrer von Windhaag zum Ehrendoktor der Universität Wien. Vom Kirchenkomponisten zum Weltsymphoniker, dessen Symphonien schon zu Lebzeiten in Übersee gespielt wurden.
Bruckner war weder Traditionalist noch Avantgardist, sondern Traditionsavantgardist. Das bedeutet, weder noch, aber alles gleichzeitig. Er steht mit seinen Füßen fest auf dem Boden der Tradition und dem Handwerk, und blickt gleichzeitig über den Horizont, in dem er Kompositionstechniken anwendet, die erst im 20. Jahrhundert verwendet werden. Zum Beispiel serielle Techniken, bei denen man mit Wiederholungen arbeitet.
Wie sehen Sie ihn? Wie würden Sie ihn beschreiben?
Bruckner war ein ungeheuer disziplinierter, origineller und auch widersprüchlicher Mensch, der schwer zu fassen ist. Er war von Zweifeln geplagt, aber gleichzeitig selbstgewiss, dass er sein großes Werk schaffen muss. Er ließ sich von keiner Niederlage einschüchtern, machte weiter bis Zumgehtnichtmehr. Er war ein Improvisationsstar, ein guter Tänzer, einer der immer einer vom Land blieb und es doch zum Universitätslehrer, Hoforganisten und vor allem Weltkomponisten geschafft hat.
Bruckner-Konzerte der Militärmusik Oberösterreich
Die Militärmusik Oberösterreich beteiligt sich am Bruckner-Jahr in Oberösterreich mit drei, vielleicht auch vier Konzerten in den großen Kirchen von Wels, Ried und Freistadt. Dort findet sich nämlich die Orgel, das wichtigste Instrument Anton Bruckners. Motto: Bruckner und um Bruckner herum, von seinen Zeitgenossen, von denen er beeinflusst war oder die er beeinflusst hat bis hin zu modernen Werken mit Affinität zu Anton Bruckner.
Was meinen Sie zu dieser Initiative?
Aufgrund der Geschichte scheint es fast logisch, dass sich die Militärmusik dem Genius loci mit einem vielfältigen Programm zuwendet und dabei mit Chören und Organistinnen und Organisten zusammenarbeitet. Das entspricht ganz dem Geist der KulturEXPO und der Historie. Bruckner bewegt uns, Bruckner verbindet uns.
Und vielleicht erinnert uns Bruckner auch daran, dass man an seinem Talent dranbleiben muss. Vieles ausprobieren muss, die Militärmusiken waren immer Talenteschmieden und wenn es da auch die Ermunterung zum Experiment gibt, fängt vielleicht der eine oder andere zum Komponieren oder Improvisieren an.
Wenn Sie das Programm sehen, wie bewerten Sie es?
In diesem vielfältigen Programm rundum Bruckner ist für jeden, für jede etwas dabei!
Werden Sie sich ein Konzert ansehen?
Ja, sicher und ich werde es mit gespitzten Ohren und viel Freude tun.